Adam Angst
Verdammt, es ist schon wieder passiert! Nicht nur haben ADAM ANGST ein neues Album aufgenommen, ihr drittes, nein, sie haben auch schon wieder Songs geschrieben, die so gnadenlos perfekt ins gesellschaftliche, deutsche Jetzt passen, dass es wirklich wehtut. Denn sagen wir mal so: Es sieht nicht gut aus. Für uns alle.
Das dritte Album von Felix Schönfuss, David Frings, Roman Hartmann, Christian Kruse und Johannes Koster hört auf den Namen „TWIST“ und erscheint am 17. November 2023 über Grand Hotel van Cleef.
ADAM ANGST haben sich schon immer von der herkömmlichen deutschen Punkrock-Band unterschieden. Kein konstantes, peinliches Social Media Flak (Wie viele Selfie-Videos von Künstler*innen mit „Jetzt schnell noch die letzten Tickets/Boxen/Bundles sichern!!!“ und „Danke für euer geiles Feedback!!“ und „Danke Streaming-Service fürs Platzieren auf der geilen Deutschrock-Playliste!“ sollen wir noch aushalten?!), nicht immer diese gemütliche „Wir sind hier die Guten, und alle anderen habens halt nicht kapiert“-Haltung in den Texten, nicht jeder zweite Song auf eine kultige Publikumsinteraktion ausgelegt (Warst du überhaupt auf einem Konzert, wenn du nicht mindestens die Hälfte des Sets auf den Knien wartend verbracht hast, bis die Band dich für den krassen Moshpitpart einzählt? Es ist ja schließlich Entertainment!) – Nein, all das ist ADAM ANGST nicht. Gut so.
Was die Band sein möchte? Eigentlich alles andere.
In der Pandemie brachte sich Sänger Felix Schönfuss anhand von YouTube-Tutorials das Klavierspielen bei, was dem Sound seiner Band neue Dimensionen eröffnet. Klar, hier werden einige Punks ™ nun endgültig raus sein – Aber manchmal wohnt ja auch einem Ende ein Zauber inne.
Dass man von ADAM ANGST spätestens ab „TWIST“ musikalisch eigentlich alles erwarten kann, machen bereits die ersten drei Songs des Albums, das erstmals gemeinsam mit Beray Habip (u.a. FJØRT, Kochkraft durch KMA) entstand, klar:
Das Album beginnt mit „Die Lösung für deine Probleme“ – Eine pompöse Klavierballade gegen die AfD. Der Text erzählt eine der wenigen einfachen Wahrheiten auf „TWIST“: Die AfD ist eine Partei, die ausschließlich unterkomplexe Lösungen anbietet, und eigentlich gar nichts auf der Haben-Seite verbuchen kann. Zum Finale des Songs setzt das große Orchester ein und trägt dick auf. Wie soll man diesem Quatsch denn sonst begegnen?
Das anschließende „Unangenehm (feat. Wutgruppe 0)“ ist natürlich komplett zu 100% ernst gemeint! Mit verstellt-besoffenen Gröhlstimmen mimen ADAM ANGST in unter zwei Minuten einen Großteil der Bands, die unter dem Genre „Deutschrock“ formieren.
Ein schwer aushaltbares Lied, zugegeben. Aber es geht nicht anders. Die Lyrics: Kalendersprüche der dümmsten Sorte, die Zusammenhalt, Wir-gegen-die-Mentalität und Heimatliebe thematisieren. Was hier gesungen wird ist inhaltsleer, stumpf, und, leider auch: Gefährlich.
Denn welche Musiker bei den populären Deutschrockbands heutzutage „wirklich nicht mehr rechts!“ sind („Jeder baut in der Jugend mal Scheiße“,… ist klar!), ist eigentlich gar nicht das Thema. Unbestreitbar ist, dass das Genre einen fruchtbaren Boden für gefährliche, rechte und rechtsextreme Gesinnungen bietet. Die Szene, die Bands und, wie zuletzt anhand eines populären Falles klar erkennbar wurde, auch große Teile der Musikindustrie nehmen das hin, denn hier steckt Geld drin.
ADAM ANGST sind sich bewusst, dass sich auch zu ihnen Hörer*innen verirren, die derlei Deutschrock für „gute Musik mit echt klasse Texten“ halten – Es bleibt zu hoffen, dass die Botschaft hier ankommt.
Mit dem darauffolgenden „Unter meinem Fenster“ erfolgt dann der nächste krasse Bruch: Zumindest in der ersten Hälfte das poppigste Stück, dass die Band bisher veröffentlicht hat. Ein tanzbarer Beat, unverzerrte Gitarren, Schnipsen. Der Inhalt ist größtenteils autobiographisch: Sänger Felix Schönfuss ist der Kölner Großstadt seit dem letzten Album entflohen, um sich von „all dem Krach und all dem Lärm“ zu erholen.
Doch in der vermeintlich ruhigen Vorstadt angekommen sieht er mit unerwarteten Herausforderungen konfrontiert: Bürgermeister-Kandidaten, Vertreter, Postboten, die ihren Job nicht so ganz ernst nehmen, und viele mehr machen jegliche Idylle zunichte. Dass ein Song über die (zugegeben, Erste-Welt-) Probleme eines Anfang Vierzigjährigen, der einfach seine Ruhe haben will, dennoch so gut funktioniert wie hier, ist Schönfuss‘ Ausnahmetalent als Texter zugute zu halten.
Man könnte über jeden Song auf „TWIST“ lange sprechen: „Mindset“ macht sich über alle Bauligs, Höllers, Ess‘ und weitere Selbstoptimierungs- & Abzock-Arschlöcher lustig, ein Brecher wie „Angst“ führte dazu, dass der Arbeitstitel des Albums zeitweise „Billy Talent IV“ lautete.
Im Dating-App-Song „Eau de Toilette“ gibt es eine brachiale Metalcore-Attacke, das luftig-misanthropische „Mord“ erinnert an „First Of The Gang To Die“. Das kurzweilige „Wir sind zusammen“ kann man als Prequel zum 2015er-Song „Ja Ja, ich weiß“, der allerersten Adam-Single überhaupt, lesen.
Dass der Country-Song „Schmerz“ nicht an Aktualität verliert, ist dem Umstand geschuldet, dass das Subjekt des Textes sich alle paar Wochen verlässlich mit unglaublichen (und unglaublich dummen) Äußerungen zurück ins Bewusstsein ruft. Die in „Range Rover“ beschriebenen Szenen kennt jeder Mensch, der einfach bezahlbar in einer deutschen Stadt leben möchte. Beim düsteren Abschluss „Dass du bleibst“, erneut fast komplett vom Klavier bestimmt, bleibt einem dann plötzlich das Lachen im Halse stecken – Vielleicht das einzige Lied auf „TWIST“ ohne doppelten Boden.
ADAM ANGST möchten es niemandem auf “TWIST“ einfach machen, und genau da liegt ihre Stärke. Das dritte Album ist zeitgleich höchst unterhaltsam und doch immer mehr als „nur“ Unterhaltung. Gibt’s nicht oft, solche Bands.